Freitag, 20. Juni 2014

Bishkek – Hauptstadt Kirgistans
- eine Innenansicht -


Kirgistan hat ca. 3 Millionen Einwohner, 1 Million leben in der Hauptstadt. Sie liegt im Norden des Landes, am Fuße des Tian Shan Gebirges mit seinen 4000 bis gut 7000m hohen schneebedeckten Gipfeln.
Ich sitze gerade auf der Dachterrasse des Hostels und lasse den Blick schweifen. Ganz in der Nähe befinden sich zwei Moscheen, wobei die eine noch im Bau ist. In Bishkek sieht man relativ viele Menschen, die nach muslimischer Vorschrift gekleidet sind. Der Muezzin „singt“ über die Lautsprecher am Minarett das Nachtgebet, was sich in meinen Ohren schön anhört. Leider verstehe ich nur das Wort „Allah“.
Das Hostel befindet sich am Stadtrand und so blicke ich vom Dach auf die Gärten und Häuser der Nachbarschaft. Die einstöckigen Häuser sind alle mit einer Mauer und einem großen eisernen Tor zur Straße hin abgeschlossen. Die Dächer sind aus Wellblech oder Eternitplatten. Oft ist das Dach im Giebel offen, so dass ein halb offener Dachboden entsteht. Schuppen sind wahllos angebaut. Um die Häuser wird viel Zeugs gelagert. Dies entspricht nicht unserem deutschen Ordnungsempfinden.
Die Gärten sind gut gefüllt mit Obst-Bäumen (Apfel, Pflaume, Wein, Aprikose, Walnuss), so dass kaum Sonne in den Hof fällt. Im Sommer ist dies ein Schutz gegen die heiße Sonne. Die Bewohner pflanzen Blumen und Gemüse mit viel Leidenschaft an. Morgens und abends wird jede Pflanze vorsichtig und meist einzeln mit Wasser begossen. Die Gärten sind nie gestylt, so wie es uns wichtig wäre.
In den Höfen liegen Hunde auf der faulen Haut, wenn sie nicht bellen. Das machen sie gerne und ausdauernd. Da die Häuser sehr eng aufeinander gebaut sind, würden wir dies als Ruhestörung bezeichnen.
Die Wege zwischen den Häusern sind nicht asphaltiert. Sie sind staubig, wellig und löcherig, so dass ein Auto nur langsam darüber fahren kann. Müll liegt wenig herum, aber viele gefährliche Glasscherben (Wodkaflaschen!?). Auf den Wegen spielen Kinder: Fußball, Fangen, Rad fahren, Gummitwist, Murmeln, Verstecken. Mich erinnert diese unbekümmerte Szene an meine eigene Kindheit, als ich diese Spiele noch gefahrlos auf der Straße in Norddeutschland gespielt habe! Großeltern gehen mit ihren Enkeln spazieren, kleine Kinder stehen mit dem Dreirad mitten auf dem Weg. Mutter, Tochter und Großmutter schlendern Arm in Arm den Weg hinunter, ein Vater schiebt seinen Sohn im Buggy über die „Buckelpiste“. Eine Gruppe von Jungen sitzt zusammen am Rand der Straße und unterhält sich. Einfach schöne Bilder! Kommt da nicht ein wenig Wehmut auf – Erinnerungen an schöne alte Zeiten?
Die asphaltierten Nebenstraßen sind voller Schlaglöcher und nur vorsichtig im Zick-Zack-Kurs zu befahren. An diesen Straßen befinden sich sehr viele kleine Läden, die das Nötigste zu Kauf anbieten. Man muss nie weit laufen, um Lebensmittel für den Alltag zu kaufen. Durch dieses System haben viele Menschen ein finanzielles Auskommen.
Bau- und sicherheitsvorschriften gibt es wohl nicht. Man muss ständig den Blick auf den Boden gerichtet haben. Dort lauern Absätze, kaputte Fliesen, tiefe Löcher, schiefe Platten, Erdhügel, Scherben, - Stolperfallen ohne Ende. Wolfgang und ich haben schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Wenn man weiter ins Stadtzentrum geht, bessern sich die Wege ein wenig. Gestylt ist der Ort aber am keiner Stelle. Im Zentrum befinden sich Monumente der Helden, Springbrunnen und Grünflächen. Es gibt zwei große Kaufhäuser. In diesen Gebäuden haben Händler Stellfläche angemietet, sodass das gleiche Angebot sich immer wiederholt. Zum Glück gibt es noch Uhrenmacher, die Uhren reparieren und Armbänder für alte Swatch-Uhren verkaufen. So bin ich fündig geworden. Natürlich sind im Erdgeschoss die vermeintlichen Handy- und Handyzubehörläden. Die Textilien sind fast alle aus Synthetikfasern und entsprechen nicht unserem westlichen Geschmack – abgesehen von den Weltmarken, die hier auch zu kaufen sind. Hier ist halt Asien und nicht Europa! In Bishkek finden wir das westlichste Warenangebot auf unserer bisherigen Reise. In den wenigen (richtigen) Supermärkten stehen viele Produkte mit deutscher Aufschrift – und natürlich Nutella! Die Preise entsprechen unseren. Das können sich nur wenige leisten. Die Menschen in dieser Großstadt sind hektisch und streben zielstrebig von A nach B. Fast wie bei uns. Die Gebäude sind auf 20 Jahre ausgelegt, werden aufgegeben und zerfallen. Baugrund in der Stadt scheint nicht kostbar zu sein.
Nun zum Straßenverkehr: Auch auf den Durchgangsstraßen befinden sich heimtückische, tiefe Schlaglöcher. Ampeln muss man suchen, denn sie stehen mal vor der Kreuzung, mal dahinter und manchmal versteckt zwischen Bäumen. Da heißt es „aufpassen wie ein Schießhund“. An Fahrspuren muss sich keiner halten, Hauptsache es hat Platz.Gehupt wird gerne und zu allen möglichen Gelegenheiten. Polizisten stoppen am laufenden Band die Autofahrer – auch hier in der Stadt. Die orange Keule kann ich schon nicht mehr sehen. Ein Polizist hat uns dort versucht abzuzocken. Als Wolfgang sagte, er brauche ein Protokoll fürs Konsulat, lies der Polizist ihn laufen. Das ist nicht die feine Art.
Im Straßenverkehr sieht man mehr Mercedes als bei uns, ebenso viele VW, Audi und BMW. Nett ist es, wenn man durch die Stadt läuft und plötzlich ein Kleinbus oder LKW mit der Aufschrift: „Original Thüringer Bratwurst – Die Echte!“ Oder: „Odenwaldquelle“ vor einem steht. Man sieht, unsere alten Autos haben hier – auf den Schotterpisten, aber mit sehr billigen Reparaturwerkstätten - noch ein zweites Leben. Es gibt natürlich auch neue deutsche Autos – Reiche gibt es überall. Ein Kuriosum in Kirgistan ist, dass ca. 30% aller Autos das Steuerrad an der rechten Seite haben. Dies sind gebrauchte Autos aus Japan! Neben diesen Fahrzeugen gibt es uralte Autos, bei denen man sich wundert, dass sie nach ca. 50 Jahren und diesen Straßen noch laufen. Reparaturwerkstätten und Tankstellen gibt es wie Sand am Meer. 1 Liter Diesel kostet ca. 0,55€.

Die Verständigung läuft über die wenigen Worte russisch, die ich gelernt habe, über ein paar Brocken englisch oder über Zeichensprache. Kirgisisch unterscheidet sich durchaus vom russischen, aber man schreibt auch in kyrillischer Schrift.

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