Auszug aus dem Reisetagebuch
Kirgistan
Song Köl See
2.6.2014
Nach dem Frühstück packen wir unsere (warmen)
Sachen in Ulan´s Audi (PKW). Zunächst fahren wir über die 45km
lange, feine Schnellstraße bis Sari Bulak. Ab jetzt sind es 90km
Schotterpiste bis in über 3000m Höhe. Zunächst sind es noch
Querrillen, die uns und das Auto erschüttern. Ulan hat das Auto im
Griff. Die Murmeltiere auf der Straße suchen schnell das Weite. Je
höher wir kommen, um so mehr schneit es. Wir queren eine Herde Yaks.
Durch das Hupen aufgeschreckt, springen sie zu allen Seiten weg und
auf uns zu. Die Kehren werden immer enger und matschiger. Oben auf
dem Pass, ist eine Engstelle mit meterhohem Schnee, die aber geräumt
ist. Nun kommen wir über kleinere Pässe und erreichen eine
gewaltige Hochebene. Die Schotterpiste hört auf und ich frage mich,
wie man sich hier orientieren kann. Ulan sagt, normalerweise sieht
man ab hier den See, aber jetzt treibt der Schnee waagerecht und man
sieht nicht weit. Ohne gutes GPS hätten ortsunkundige keine Chance.
Wir fahren über die Graslandschaft und das Auto schlingert gewaltig
hin und her. Der Boden ist lehmig. Die Landschaft ist hügelig und
ich kann es kaum glauben, dass es das Auto ohne Allradantrieb und mit
Sommerreifen bis auf die nächste Kuppe schafft. Unser Fahrer ist
erfahren und nicht aus der Ruhe zu bringen. Dann entdecken wir
Jurten! Wir haben das große Glück in einer Jurte unterzukommen, die
sowohl eine beheizte Schlafjurte hat, als auch eine warme
Gemeinschaftsjurte. Die Einzige in der Gegend. Die Jurten stehen seit
3 Tagen hier, die Tiere sind seit 2 Wochen hier oben. Unsere
Gastfamilie (Mutter 50J., Vater und Sohn) haben 260 Schafe, 40 Pferde
und 60 Kühe auf die (eigentlich!) Sommerweide gebracht. Reiche
Familie - die Frau mit den typischen vergoldeten Zähnen. Mit uns
gibt es weitere Gäste: Zwei Holländer mit Führerin und Fahrer und
drei Japaner mit Fahrer. Die Holländer trotzen dem Schneetreiben und
steigen für Ausritte auf die Pferde. Mich würden keine 10 Pferde
dazu bewegen! Die Jurtengruppe besteht aus zwei Gästejurten, einer
kleineren Gemeinschaftsjurte zum Essen und Treffen, einem Pavillion
mit Tischen, dem Wohnpavillion der Familie, einem Kompressor, einem
Naturkühlschrank (Schränkchen mit Fliegengitter), einem
Metallwaschbecken mit Wassertank, daneben ein Schwamm und die
Zahnbürsten der Familie in einer aufgeschnittenen Plastikflasche,
die neben einem Handspiegel an der Jurte befestigt sind. Ziemlich
abseits ist das Plumpsklohäuschen, ein Verschlag aus Wellblechen.
Das Wasser wird aus dem See mit Hilfe des Esels oder eines Pferdes
heran geholt.
Wolfgang und ich laufen zum ca. 100m entfernten See,
der heute nicht türkisblau schimmert. Es ist ungemütlich und die
Hosenbeine werden immer nasser. Wir flüchten in die
Gemeinschaftsjurte. Die Schuhe werden gleich am Eingang auf dem
Plastikbereich ausgezogen. Die Augen müssen sich erst an die
Dunkelheit gewöhnen, um zu sehen, wer oder was in der Jurte ist.
In der Mitte steht ein niedriger größerer Tisch. Um
ihn herum sind die Sitzplätze auf Schaffellen, die auf Filzteppichen
und einer darunter liegenden Plastikplane liegen. Am Eingang steht
ein gusseiserner Kohleofen, auf dem Wasserkessel stehen. Da heißt es
aufpassen, nur nicht stolpern und aus Versehen dort anfassen. In der
Jurte ist es eng und dunkel. Ein zweiflammiger Gaskocher mit
Gasflasche steht neben einer kleinen Anrichte. Im hinteren Bereich
befindet sich ein Schränkchen mit Bekleidung, darauf liegen die
bunten Schlafmatten mit Kopfkissen.
Das Gestänge der Jurte ist aus rot angestrichenen
Holzlatten. Im unteren Bereich das praktische Scherengitter, weil es
zusammenklappbar ist, ebenso wie die Bambusmatte dahinter. Von dort
laufen zum Dach einzelne gebogene Hölzer, die im Rund des Dachringes
eingehängt werden. Der hölzerne Dachring ist kreisrund und hat
zweimal zwei parallel laufende Hölzer, die sich überkreuzen. Dieser
Dachring findet sich in der kirgisischen Flagge wieder. Die Matten
auf dem Dachring kann man mit Hilfe von Seilen zur Seite ziehen und
damit die Jurte lüften. Das Gestänge wird mit breiten Gurtbändern
gegen Verrutschen gesichert. Jetzt kommen die schweren, großen
Filzmatten, die von außen mit Seilen befestigt sind. Wie man die auf
das Dach der Jurte bekommt, das hätte ich gerne gesehen. Die Haustür
ist aus massivem Holz und ziemlich niedrig! Eine schwere Matte aus
Bambus und dickem Filz reicht tagsüber zum Verschließen der Jurte.
Eine Jurte ist innerhalb von einer Stunde aufgebaut.
Die Chefin der Jurten ist den ganzen Tag beschäftigt,
die vielen Menschen zu versorgen.Mittags gibt es einen Eintopf mit
Kartoffeln, Fleisch und Möhren, dazu einen Möhrensalat mit viel
Knoblauch. Lecker – alles sehr geschmacksintensiv. Danach dürfen
wir uns an hausgemachter Marmelade (Brombeere, Aprikose,
Wildkirsche), die in Schwarztee besonders gut schmeckt, Zucker, Brot
und eigener Butter laben. Im Sitzen auf dem Boden (es zieht hier und
da in den Rücken) ist das Essen für uns leider nicht so bequem.
Kaum sind wir fertig, muss die Dame alles spülen und beginnt
sogleich mit dem Kleinschneiden für die Zutaten fürs Abendessen.
Was für Berge sie schnippeln muss! Den etwas ähnlichen Eintopf
kocht sie in einem Wok auf dem gusseisernen Ofen. Zunächst kippt sie
viel Fett in die Wanne und brät das Fleisch; danach kommt Wasser und
das Gemüse. Diesmal gibt es einen Salat aus Weißkohl und Gurken
dazu und die guten Sachen wie oben genannt. Tee trinkt man aus
Schalen - bis zum Abwinken.
Inzwischen sind 14 Personen in der kleinen Jurte. Es
wird englisch, japanisch,deutsch, niederländisch und kirgisisch
geredet und gelacht. Die Flasche(n) Wodka kreist und fordert zum
Lachen heraus. Wie groß sind die Überredungskünste der
kirgisischen Reiseleiterin der Holländer! Die Japaner sprechen wenig
englisch, aber mit gutem Willen versteht Jeder Jeden. Es ist
urgemütlich und warm! Der Generator bringt für kurze Zeit Strom für
eine Glühbirne, dann erhellen eine Kerze und eine Petroleumlampe die
Jurte.
Nun wird es Zeit für die Premiere: Die erste Nacht
in einer Jurte. Wir laufen durch den dicken Schnee, ziehen am Eingang
der Jurte mit ihrem schweren Vorhang die Schuhe aus und erkennen im
Schein zweier Kerzen unsere Bettlager. Zunächst sind zwei Filz- und
Wattedecken auf dem Boden ausgelegt, darüber eine bezogene Matte,
eine bezogene, schwere Bettdecke und am Fußende eine dunkle
Schafdecke. Unsere Sachen hängen wir an das praktische Scherengitter
und schlüpfen mehr oder weniger bekleidet unter die Decken. Dort ist
es schnell warm, nur der Kopf und die Nase finden nicht so schnell
einen geeigneten Platz um warm und kühl gleichermaßen zu bleiben.
Der Staub des Kohleofen verschlägt mir den Atem - kein Wunder, dass
so viele Kirgisen hüsteln!? Ansonsten wird auch mit Rinderdung
geheizt, den gibt es im Massen auf den Weiden. Unsere Jurte ist ca.
8m hoch – gewaltig! Ich schlafe gut, habe aber die Befürchtung,
ich könnte schnarchen. Von den Japanern, die in der gleichen Jurte
schlafen, hört man keinen Laut. Tierische Laute hört man von außen:
Eine Kuhherde umlagert die Jurte und scheint um Einlass zu bitten.
Kein Wunder bei diesem Wetter! Wieso der Jurtenhund sie nicht
verscheucht, das macht er doch sonst mit Leidenschaft!? Gute Nacht!
3.6.2014
Als ich um 7.15 Uhr aus der Jurte krieche, liegen 5cm
Schnee, geschlossene Schneedecke! Die Tiere heben sich als schwarze
Flecken vom weißen Schnee ab. Eine tief schwarze (Schnee-) Wolke
hängt über dem schwarzen See und den weißen Gipfeln hinter dem
See. Ein paar blaue Himmelsflecken lassen die Sonne kurz
durchscheinen. Schön!
Vor dem Frühstück gehe ich aufs „Stille Örtchen“.
Nur nicht mit dem Fuß in das tiefe Loch fallen! Die frische Luft tut
an diesem Platz gute Wirkung. Die Rolle des „robusten“
kirgisischen Klopapiers ist eingeschneit und durchfeuchtet – also
arschkalt. Wenn man muss, dann muss man und es geht irgendwie.
Irgendwie, ja irgendwie sollte die Tür wieder auf gehen – aber sie
tut es nicht. Da fällt mir ein, dass ich kurz vorher ein
metallisches Klicken gehört habe. Und wirklich, der Verschlusshaken
von außen ist ins dazu gehörige Loch gefallen! Sch...! Ich schlage
immer wieder gegen das Wellblech und winke über die Tür hinaus –
bis mich Wolfgang entdeckt und befreit!
Beim Frühstück werden wir zur Eile gedrängt. Wir
wollen im Konvoi von drei Fahrzeugen versuchen ins Tal zu gelangen.
Schon beim ersten kleinen Pass bleibt der Van mit den Japanern
hängen. Der Allradbus schleppt ihn ab. Am zweiten passiert das
Gleiche. Unser Ulan fährt mit seinem normalen Audi-PKW und
Sommerreifen gekonnt die Hügel hinauf. Immer wieder schleudert das
Heck zur Seite, aber er schafft es.Tolle Leistung! Am höchsten Pass
mit noch mehr Schnee machen wir ein gemeinsames ein Siegerfoto! Dort
sehen wir Pferde im tiefen Schnee, die kleinen Fohlen ruhen sich
liegend aus. Langsam aber sicher kurven wir gen Tal und erreichen
nach gut 3 Stunden Koschkor. Der Allradbus hat Probleme mir dem
Turbo, es qualmt hinten blauer Rauch raus. Waren das zwei aufregende,
wunderbare Tage!
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