Bishkek
– Hauptstadt Kirgistans
- eine Innenansicht -
Kirgistan hat ca. 3 Millionen
Einwohner, 1 Million leben in der Hauptstadt. Sie liegt im Norden des
Landes, am Fuße des Tian Shan Gebirges mit seinen 4000 bis gut 7000m
hohen schneebedeckten Gipfeln.
Ich sitze gerade auf der
Dachterrasse des Hostels und lasse den Blick schweifen. Ganz in der
Nähe befinden sich zwei Moscheen, wobei die eine noch im Bau ist. In
Bishkek sieht man relativ viele Menschen, die nach muslimischer
Vorschrift gekleidet sind. Der Muezzin „singt“ über die
Lautsprecher am Minarett das Nachtgebet, was sich in meinen Ohren
schön anhört. Leider verstehe ich nur das Wort „Allah“.
Das Hostel befindet sich am
Stadtrand und so blicke ich vom Dach auf die Gärten und Häuser der
Nachbarschaft. Die einstöckigen Häuser sind alle mit einer Mauer
und einem großen eisernen Tor zur Straße hin abgeschlossen. Die
Dächer sind aus Wellblech oder Eternitplatten. Oft ist das Dach im
Giebel offen, so dass ein halb offener Dachboden entsteht. Schuppen
sind wahllos angebaut. Um die Häuser wird viel Zeugs gelagert. Dies
entspricht nicht unserem deutschen Ordnungsempfinden.
Die Gärten sind gut gefüllt mit
Obst-Bäumen (Apfel, Pflaume, Wein, Aprikose, Walnuss), so dass kaum
Sonne in den Hof fällt. Im Sommer ist dies ein Schutz gegen die
heiße Sonne. Die Bewohner pflanzen Blumen und Gemüse mit viel
Leidenschaft an. Morgens und abends wird jede Pflanze vorsichtig und
meist einzeln mit Wasser begossen. Die Gärten sind nie gestylt, so
wie es uns wichtig wäre.
In den Höfen liegen Hunde auf der
faulen Haut, wenn sie nicht bellen. Das machen sie gerne und
ausdauernd. Da die Häuser sehr eng aufeinander gebaut sind, würden
wir dies als Ruhestörung bezeichnen.
Die Wege zwischen den Häusern sind
nicht asphaltiert. Sie sind staubig, wellig und löcherig, so dass
ein Auto nur langsam darüber fahren kann. Müll liegt wenig herum,
aber viele gefährliche Glasscherben (Wodkaflaschen!?). Auf den Wegen
spielen Kinder: Fußball, Fangen, Rad fahren, Gummitwist, Murmeln,
Verstecken. Mich erinnert diese unbekümmerte Szene an meine eigene
Kindheit, als ich diese Spiele noch gefahrlos auf der Straße in
Norddeutschland gespielt habe! Großeltern gehen mit ihren Enkeln
spazieren, kleine Kinder stehen mit dem Dreirad mitten auf dem Weg.
Mutter, Tochter und Großmutter schlendern Arm in Arm den Weg
hinunter, ein Vater schiebt seinen Sohn im Buggy über die
„Buckelpiste“. Eine Gruppe von Jungen sitzt zusammen am Rand der
Straße und unterhält sich. Einfach schöne Bilder! Kommt da nicht
ein wenig Wehmut auf – Erinnerungen an schöne alte Zeiten?
Die asphaltierten Nebenstraßen
sind voller Schlaglöcher und nur vorsichtig im Zick-Zack-Kurs zu
befahren. An diesen Straßen befinden sich sehr viele kleine Läden,
die das Nötigste zu Kauf anbieten. Man muss nie weit laufen, um
Lebensmittel für den Alltag zu kaufen. Durch dieses System haben
viele Menschen ein finanzielles Auskommen.
Bau- und sicherheitsvorschriften
gibt es wohl nicht. Man muss ständig den Blick auf den Boden
gerichtet haben. Dort lauern Absätze, kaputte Fliesen, tiefe Löcher,
schiefe Platten, Erdhügel, Scherben, - Stolperfallen ohne Ende.
Wolfgang und ich haben schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Wenn man
weiter ins Stadtzentrum geht, bessern sich die Wege ein wenig.
Gestylt ist der Ort aber am keiner Stelle. Im Zentrum befinden sich
Monumente der Helden, Springbrunnen und Grünflächen. Es gibt zwei
große Kaufhäuser. In diesen Gebäuden haben Händler Stellfläche
angemietet, sodass das gleiche Angebot sich immer wiederholt. Zum
Glück gibt es noch Uhrenmacher, die Uhren reparieren und Armbänder
für alte Swatch-Uhren verkaufen. So bin ich fündig geworden.
Natürlich sind im Erdgeschoss die vermeintlichen Handy- und
Handyzubehörläden. Die Textilien sind fast alle aus Synthetikfasern
und entsprechen nicht unserem westlichen Geschmack – abgesehen von
den Weltmarken, die hier auch zu kaufen sind. Hier ist halt Asien und
nicht Europa! In Bishkek finden wir das westlichste Warenangebot auf
unserer bisherigen Reise. In den wenigen (richtigen) Supermärkten
stehen viele Produkte mit deutscher Aufschrift – und natürlich
Nutella! Die Preise entsprechen unseren. Das können sich nur wenige
leisten. Die Menschen in dieser Großstadt sind hektisch und streben
zielstrebig von A nach B. Fast wie bei uns. Die Gebäude sind auf 20
Jahre ausgelegt, werden aufgegeben und zerfallen. Baugrund in der
Stadt scheint nicht kostbar zu sein.
Nun zum Straßenverkehr: Auch auf
den Durchgangsstraßen befinden sich heimtückische, tiefe
Schlaglöcher. Ampeln muss man suchen, denn sie stehen mal vor der
Kreuzung, mal dahinter und manchmal versteckt zwischen Bäumen. Da
heißt es „aufpassen wie ein Schießhund“. An Fahrspuren muss
sich keiner halten, Hauptsache es hat Platz.Gehupt wird gerne und zu
allen möglichen Gelegenheiten. Polizisten stoppen am laufenden Band
die Autofahrer – auch hier in der Stadt. Die orange Keule kann ich
schon nicht mehr sehen. Ein Polizist hat uns dort versucht
abzuzocken. Als Wolfgang sagte, er brauche ein Protokoll fürs
Konsulat, lies der Polizist ihn laufen. Das ist nicht die feine Art.
Im Straßenverkehr sieht man mehr
Mercedes als bei uns, ebenso viele VW, Audi und BMW. Nett ist es,
wenn man durch die Stadt läuft und plötzlich ein Kleinbus oder LKW
mit der Aufschrift: „Original Thüringer Bratwurst – Die Echte!“
Oder: „Odenwaldquelle“ vor einem steht. Man sieht, unsere alten
Autos haben hier – auf den Schotterpisten, aber mit sehr billigen
Reparaturwerkstätten - noch ein zweites Leben. Es gibt natürlich
auch neue deutsche Autos – Reiche gibt es überall. Ein Kuriosum in
Kirgistan ist, dass ca. 30% aller Autos das Steuerrad an der rechten
Seite haben. Dies sind gebrauchte Autos aus Japan! Neben diesen
Fahrzeugen gibt es uralte Autos, bei denen man sich wundert, dass sie
nach ca. 50 Jahren und diesen Straßen noch laufen.
Reparaturwerkstätten und Tankstellen gibt es wie Sand am Meer. 1
Liter Diesel kostet ca. 0,55€.
Die Verständigung läuft über die
wenigen Worte russisch, die ich gelernt habe, über ein paar Brocken
englisch oder über Zeichensprache. Kirgisisch unterscheidet sich
durchaus vom russischen, aber man schreibt auch in kyrillischer
Schrift.
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